Interview zu Kirche und Medien in der Herder Korrespondenz

Im Februarheft der Zeitschrift Herder Korrespondenz ist ein Interview mit mir zum Verhältnis von Kirche und Medien erschienen. Die Deutsche Bischofskonferenz beschäftigt sich am 25.2.2015 im Rahmen ihrer Frühjahrsvollversammlung mit dem Thema Kirche und Medien/Social Media.

Wichtig im Interview ist mir unter anderem die Bedeutung eines unabhängigen Kirchenjournalismus, der aus verschiedenen Gründen gerade bedroht ist. Aber auch zur Frage, ob die Kirche Opfer von Medienkampagnen sei, wie vielfach behauptet wird, ist Gegenstand des Gesprächs.

Das Interview ist jetzt frei im Netz verfügbar.

Medienethische Fragen zur digitalen Vermessung der Welt – Big-Data-Seminar an der HfPh

Diese Woche geht hier an der Hochschule für Philosophie der Vorlesungs- und Seminarbetrieb wieder los. Heute ist die erste Sitzung unseres Medienethik-Seminars „Big Data: Medienethische Fragen zur digitalen Vermessung der Welt“, das ich zusammen mit meinem Kollegen und Mitarbeiter Christopher Koska durchführe. Hier der Ankündigungstext:

Bereits 2008 hat die Anzahl der Gegenstände, die mit dem Internet verbunden sind, die Anzahl der Weltbevölkerung überschritten. 90% aller weltweit verfügbaren Daten sind nach einer Studie von IBM in den letzten zwei Jahren entstanden. 2015 soll es, laut einer Studie von Intel, doppelt so viele Netzwerkgeräte geben, wie Menschen auf der Erde. All diese Geräte erzeugen über ihre Sensoren und über die Menschen, die sie benutzen, eine unvorstellbar große Datenmenge (Big Data). IT-Konzerne, Regierungen, Behörden und Institutionen sammeln und analysieren diese Daten, erstellen Personenprofile, filtern, vermarkten oder verkaufen Informationen. Gegenstand des Seminars sind die öffentlichen und privaten, ökonomischen und staatlichen Interessen im Prozess der Etablierung von Big-Data-Technologien bzw. der Informationssuche/-beschaffung. Ziel ist es aktuelle Konflikte zu analysieren, Chancen und Herausforderungen kritisch zu hinterfragen und Kriterien für deren Beurteilung zu begründen.

Das Programm ist ganz wesentlich von Christopher Koska konzipiert worden, der ein medienethisches Forschungsprojekt (Dissertation) zu diesem Themenfeld in Angriff genommen hat. Weitere Informationen zum Programm bei Interesse direkt bei Christopher Koska. Hier die zwanzig wichtigsten Bücher zu Big-Data1 (alle in der Hochschul-Bibliothek vorhanden):

  • Angwin, Julia (2014): Dragnet Nation: A Quest for Privacy, Security, and Freedom in a World of Relentless Surveillance.
  • Bunz, Mercedes (2012): Die stille Revolution. Wie Algorithmen Wissen, Arbeit, Öffentlichkeit und Politik verändern, ohne dabei viel Lärm zu machen.
  • Davis, Kord (2012): Ethics of Big Data: Balancing Risk and Information.
  • Flusser, Vilem (2000): Ins Universum der technischen Bilder.
  • Geiselberger, Heinrich /Moorstedt, Tobias (Hrsg.) (2013): Big Data: Das neue Versprechen der Allwissenheit.
  • Grimm, Petra /Capurro, Rafael (Hrsg.) (2008): Informations- und Kommunikationsutopien.
  • Han, Byung-Chul (2013): Im Schwarm: Ansichten des Digitalen.
  • Krotz, Friedrich (Hrsg.) (2007): Mediatisierung: Fallstudien zum Wandel von Kommunikation.
  • Krotz, Friedrich /Hepp, Andreas (Hrsg.) (2012): Mediatisierte Welten: Forschungsfelder und Beschreibungsansätze.
  • Kuhlen, Rainer/ Semar, Wolfgang/ Strauch, Dietmar (Hrsg.) (2013): Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation: Handbuch zur Einführung in die Informationswissenschaft und -praxis.
  • Lanier, Jaron (2010): Gadget. Warum die Zukunft uns noch braucht.
  • Mainzer, Klaus (2014): Die Berechnung der Welt: Von der Weltformel zu Big Data.
  • Mayer-Schöneberger, Viktor /Cukier, Kenneth (2013): Big Data: Die Revolution, die unser Leben verändern wird
  • Morozov, Evgeny (2011): The net delusion : how not to liberate the world.
  • Morozov, Evgeny (2013): Smarte neue Welt: Digitale Technik und die Freiheit des Menschen.
  • Pariser, Eli (2012): Filter Bubble: Wie wir im Internet entmündigt werden.
  • Schmidt, Eric/ Cohen, Jared (2013): Die Vernetzung der Welt: Ein Blick in unsere Zukunft.
  • Stichler, N. Richard/ Hauptmann, Robert (Hrsg.) (2009): Ethics, Information and Technology: Readings.

Neben den Themenbereichen „Journalismus/Öffentlichkeit/Demokratie“ und „Unterhaltung und Medien“ ist der Bereich „Internet/Information/Digitale Technologie“ der dritte Schwerpunkt meiner Arbeit am Lehrstuhl für Medienethik.

  1. Ob das die 20 wichtigsten Bücher sind, weiß ich natürlich nicht und ist nur eine Formulierung für die Suchmaschinen – es sind ja noch nicht einmal genau 20… 😉 Aber aus der Fülle der jüngeren und jüngsten Literatur erschienen uns diese Titel als zentral und für das Seminar besonders geeignet.

Das Problem mit den Daten

Über Datenschutz, Totalüberwachung und das gute Internet habe ich für das Magazin der Zeitungsgruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung (Wikipedia-Eintrag, Internetauftritt) neulich einen umfangreichen Beitrag geschrieben. Mit freundlicher Genehmigung der Zeitung darf ich hier das PDF des Beitrags „Das Problem mit den Daten“ zur Verfügung stellen.

Der Beitrag ist erschienen am 22.3.2014 auf S. 1 des Magazins zum Wochenende der Zeitungen der Mediengruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung. Im Internet ist er nur hinter der Bezahlschranke als EPaper erhältlich.

Interview zur Medienethik-Professur

In der Radiosendung „Impuls“ des SWR2 ist heute ein Interview mit mir gesendet worden. Es geht um den neuen Lehrstuhl für Medienethik an der Hochschule für Philosophie und welche Schwerpunkte ich als Professor dort setzen möchte. Das Gespräch führte Anja Brockert.

Das Interview kann hier nachgehört oder heruntergeladen werden. Originale Sendezeit war  der 19.7.2013, zwischen 16:05 und 17 Uhr (Link zur Sendung).

Beitrag zum „vernetzten Individualismus“

Gerade ist in den „Katechetischen Blättern“ ein Beitrag von mir erschienen, der die sozialen Phänomene hinter Facebook und Co. (= onlinebasierte soziale Netzwerkdienste) versucht zu beschreiben.

Filipović, Alexander (2013): Individualismus – vernetzt. In: Katechetische Blätter 138 (3), S. 164–169.

Ich stütze mich in meinem Beitrag wesentlich auf das Buch „Networked. The New Social Operation System“ von Harrison Rainie und Barry Wellman. Hier die Einleitungssätze meines Beitrags:

Die digitale Welt der Kommunikation beeinflusst unser Leben in grundlegender Weise. Hinter unserem Gebrauch vom Internet, den mobilen, internetfähigen Geräten und hinter unserer Kommunikation in den sogenannten Social Media zeigt sich ein Muster, das zu einem neuen Paradigma menschlicher Interaktion, zu einem neuen Denkmodell und einer neuen Leitidee des menschlichen Selbstverständnisses schlechthin avanciert. Vernetzung scheint ein Begriff zu sein, der diese Veränderung am treffendsten auf den Punkt bringt. Damit wird nicht, wie man denken könnte, die Individualisierung rückgängig gemacht. Vielmehr ist von einem vernetzten Individualismus die Rede. Das vernetzte Individuum ist der Mensch der digitalen Internetwelt und der vernetzte Individualismus ist das neue soziale Betriebssystem (vgl. Rainie/Wellmann 2012).

Geht man von der These einer grundlegenden Veränderung der Kommunikations- und damit der Lebensweisen in der Welt der digitalen Kommunikationsmöglichkeiten aus, kann man zunächst nach den Auslöse- und Beschleunigungsfaktoren dieses Wandels fragen. Sie werden als soziale und technische Innovationen auf dem Weg zum vernetzten Individualismus vorstellig (1). Wie dieses Paradigma als Praxis realisiert wird, zeigt sich exemplarisch daran, wie Beziehungen und Familien im Modus der Vernetzung »stattfinden« (2). Diese Ergebnisse verschränken sich mit den im Prinzip schon länger bekannten und auch bedrohlichen Phänomenen einer Mediengesellschaft, die mit Virtualität und Inszenierung medienphilosophisch auf den Begriff gebracht werden (3). In einem kurzen Ausblick werden daraus einige grundsätzliche Anforderungen an Erziehung und Bildung in einer Gesellschaft des vernetzten Individualismus deutlich (4).

(Quelle: Filipović 2013, 164)

Das ganze Heft (H. 3 der Katechetischen Blätter 2013, Jg. 138) steht unter dem Thema „Social Media“ und ist vor allem für Pädagogen lesenswert. Hier geht es zur Website des Verlags (Editorial und einige weitere Texte sind einsehbar).

Literatur

  • Filipović, Alexander (2013): Individualismus – vernetzt. In: Katechetische Blätter 138 (3), S. 164–169.
  • Rainie, Harrison; Wellman, Barry (2012): Networked. The new social operating system. Cambridge, Mass: MIT Press.

Papst und Medien, Katholische Presse, Kirche im Rundfunk – die neue Ausgabe von Communicatio Socialis (1/2013)

Die neue Ausgabe von Communicatio Socialis hat die Themenschwerpunkte Papst und Medien, Katholische Presse und Kirche im Rundfunk. Der Artikel „New Pope, New Hope“ gibt besipelsweise einen Überblick über die Papst-Euphorie der letzten Wochen (Volltext hier). Medienethisch besonders beachtenswert der Artikel von Nina Köberer: „Medienethik als Bezugsdisziplin normativer Medienforschung. Konsequenzen medienethischer Reflexion für die Praxis.“

Inhalt

Von Benedikt zu Franziskus

  • Annika Franzetti / Renate Hackel-de Latour / Christian Klenk: „New Pope, New Hope“. Papst-Euphorie: Plötzlich hat das Thema Kirche in den Medien wieder Hochkonjunktur
  • Roland Burkart / Jens-Peter Noll: Die Nachricht vom Papst-Rücktritt. Eine Anatomie ihrer Verbreitung
  • Besondere Aufmerksamkeit gegenüber der Wahrheit. Ansprache von Papst Franziskus an die Journalisten (Dokumentation)

Katholische Presse

  • Christian Klenk: Die Ordens- und Missionspresse in Deutschland. Rahmenbedingungen, Angebot und Rezeption
  • Andrea Franzetti / Annika Franzetti:Die Lage der Bistumspresse – ein Blick über die Grenze. Kirchenzeitungen in Poona, Gitega und Leitmeritz
  • Burkhard Schäfers: Ausbildung für alle Medienbereiche. Das Volontariat in der katholischen Presse unter veränderten Vorzeichen

Kirche im Rundfunk

  • Christian Turrey: Das Gespräch mit den Vielen führen und die Herzen berühren. 25 Jahre Kirche im Privatfunk (KAPRI)
  • Christian Klenk: Vom O-Ton bis zur kompletten Magazinsendung. Die Beiträge der katholischen Kirche im privaten Hörfunk
  • Sven Herget / Verena Horeis: Kirche im medialen Abseits. Warum kirchliche Themen in den Radionachrichten nicht gehört werden

Medienethik

  • Nina Köberer: Medienethik als Bezugsdisziplin normativer Medienforschung. Konsequenzen medienethischer Refl exion für die Praxis

Dokumentation

  • Soziale Netzwerke – Portale der Wahrheit und des Glaubens. Botschaft von Papst Benedikt XVI. zum 47. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel
  • Katholischer Medienpreis 2012. Flucht und Migration im Fokus
  • Kirchliche Filmpreise 2012. Auszeichnungen bei internationalen Festspielen
  • Katholischer Kinder- und Jugendbuchpreis 2013. Auszeichnung für Tamara Bach

Literatur-Rundschau

  • Gerda Schaffelhofer (Hg.): Du bist Petrus. Anforderungen und Erwartungen an den neuen Papst (Heinz Niederleitner)
  • André Schüller-Zwierlein / Nicole Zillien (Hg.): Informationsgerechtigkeit (Alexander Filipovic)
  • Marcus Bösch et al. (Hg.): Kill your Darlings. Handbuch für die Journalistenausbildung (Renate Hackel-de Latour)
  • Daniel Roth: Zündstoff für den „Columbine-Effekt“? (Melanie Verhovnik)
  • Konrad Dussel: Pressebilder in der Weimarer Republik: Entgrenzung der Information (Klaus Arnold)

Weitere Infos und Bezug hier.

Die Papstwahl und die Medien

Eigentlich wäre nach meinem Eintrag zum medialen Echo des Papstrücktrittes ein analoges Posting fällig zum Thema „Die Papstwahl und die Medien“. Nach dem medialen Stress der letzten Tage scheint spätestens jetzt eine Reflexion darüber in Gang zu kommen, was da medial eigentlich passiert. Ich verweise aus Zeitnot aber hier nur auf das Blog-Posting von Gerd Häfner, der nicht nur lesenswert kommentiert, sondern interessante Beiträge verlinkt.

Der Papstrücktritt und die Medien

Der Rücktritt des Papstes war ein immenses Medienereignis. Die Nachricht hat „eingeschlagen“. Innerhalb weniger Minuten hat sich zum Beispiel in Deutschland kein Mensch mehr für das Thema „Schavan“ interessiert. Wenn man sich nur die Titelseiten der internationalen Presse am Tag nach dem Rücktritt anschaut, sieht man, wie die Presse fast ungläubig reagiert und mit der Absurdität der Nachricht (“Papst kündigt Rücktritt an”) spielt oder das zumindest versucht (mein Favorit: „Pope Quits“, Daily Telegraph).

Inhaltlich und organisatorisch ist der Fall sicher eine Herausforderung für die Redaktionen gewesen, speziell in Deutschland. Einiges kommt hier zusammen, was kaum zeitgleich behandelt werden kann: ein Papst tritt zurück, ein deutscher Papst tritt ab, die Leistungen eines Intellektuellen wollen gewürdigt werden, Vorbereitung der Papstwahl, Spekulation um den Nachfolger – und alles das in einer Situation, in der die Katholische Kirche mit „Skandalen“ zu kämpfen hat (z. B. Missbrauchsfälle, Vatileaks) und in besonderer Weise mediale Aufmerksamkeit erfährt.

Anlass für eine Medienkritik?

Im Ganzen gesehen gibt die Berichterstattung um den Papstrücktritt und die anstehende Wahl keinen großen Anlass für Medienkritik. Richtige Ausfälle sind nicht zu verzeichnen oder habe ich nicht bemerkt. Der Boulevard war einigermaßen einfallslos, die Bild-Zeitung konnte mit ihrer schlappen Schlagzeile „Keine Kraft mehr” nicht an ihren legendären Titel von der Papstwahl („Wir sind Papst”) heranreichen. Der Titel der TAZ vom 12.2. („Gott sei Dank”) wurde meines Erachtens zu Recht als misslungen bezeichnet: Sie zeigt, dass ein negativer Vorbehalt, gerade wo er als originelles Witzchen inszeniert wird, selten zu einer weiterführenden Auseinandersetzung in der Sache führt.

Dem Fernsehen haben in den Sondersendungen die Experten gefehlt, so dass hier nicht selten Journalisten von Journalisten befragt wurden (z.B. Michaela Pilters von Peter Frey im Heute-Spezial am Tag der Rücktrittsankündigung). Deutlich wird daran, wie sehr der Katholischen Kirche „Köpfe” fehlen, die aus der Innenperspektive plausibel und sympathisch und unter Umständen dabei streitbar die eigene Sache vertreten. Andererseits hängt das aber auch mit der Fixierung der Medien auf Amtspersonen zusammen, wobei das wiederum auch mit den Strukturen der Kirche selbst zu tun hat.

„Papst-Content“ zwischen Rücktritt und Papstwahl

Die Menge an „Papst-Content” gerade in den ersten Tagen und jetzt bei der Vorbereitung auf das Konklave ist sicherlich bemerkenswert. Viel Abseitiges habe ich dabei nicht bemerkt. Auch um die lange Zeit zwischen Rücktrittsankündigung und Papstwahl zu überbrücken, brachte und bringt die Presse die Human-Touch-Geschichten zu Benedikt, einzelnen Kardinälen oder zu der Journalistin, die durch ihre Lateinkenntnisse als erste den Rücktritt überhaupt verstanden und in den Ticker gegeben hat. Das sind personalisierte „Stücke“, in und an denen das Ereignis exemplarisch deutlich werden soll. Man sieht an der Menge der Papst-Berichterstattung: Die katholische Kirche hat  – trotz und wegen ihrer besonderen Verfahren, Riten, Zeichen und Ämter – in Deutschland und weltweit eine große Aufmerksamkeit, die sich vor allem am Papst und an der „Zentrale” in Rom entzündet.

Eine Papstwahl ist immer ein Ereignis, das dieses Mal sicher durch den Rücktritt, aber auch zum Beispiel durch Vatileaks noch eine eigene Dynamik bekommt. Alle spüren, wie notwendig eine Reform der römischen Kurie ist. Die Spannung ist dieses Mal sehr groß, wie diese Reform angegangen wird, welche Reichweite sie haben wird und wer sie initiiert. Was sich mit dem Rücktritt, der Neuwahl, der Reform, den dann zwei Päpsten (emiritiert und amtierend) und dem weißen Rauch abspielt, ist ein Drama, durchaus in einem positiven Sinne. Es ist für sehr viele Menschen interessant, spannend und der Ausgang ist ungewiss. Die Menschen lieben das, und die Medien daher auch.

Lustig? Der Papst in den Social Media

Was allerdings nicht nur mir aufgefallen ist, ist der Unernst im Umgang mit der Nachricht vom Papstrückgang im Internet und den Social Media (vgl. die Artikel in SpOn, in der SZ von Johannes Boie, und in der TAZ). Egal, ob der Papst-Rücktritt jetzt das Ereignis mit der bisher größten Twitter-Resonanz der Geschichte ist oder nicht (die Messungen gehen da auseinander): der Kalauer, die lustig gemeinte schlaue Bemerkung, die ironische Respektlosigkeit, der Papst-Witz auf der letzten noch denkbaren Meta-Ebene des Phänomens – dieser Modus prägte im Wesentlichen die Resonanz im Internet.

Es wird daran deutlich, dass sich die Menschen nicht für den Papst, Benedikt selbst, das Verhältnis von Religion und Gesellschaft oder für die Bedeutung des Rücktrittes interessieren. Es wird nur deutlich, wie auch dieses Thema ganz aus der Ich-Perspektive dafür benutzt wird, in der eigenen Facebook-Timeline ein paar „Likes” einzusammeln. Natürlich gibt es unglaublich viel Qualität auch zu diesem Thema im Netz. Aber mir ist aus diesem Anlass aufgefallen, wie weit doch der Mainstream der Kommunikation in Twitter und Facebook von der Qualität eines öffentlichen Diskurses entfernt ist.

Führt der Rücktritt zu einem neuen medialen Umgang mit dem Papst?

Es wurde von Kirchenvertretern und Theologinnen und Theologen vielfach bemerkt, dass dieser Rücktritt das Papstamt verändert (vgl. das Dossier beim MFThK). Das ist ohne Frage richtig. Manche halten das für gut, andere für schlecht – je nach Standpunkt. Es überwiegt in der Berichterstattung eher der Respekt für den Schritt, der als Respekt vor Benedikt XVI. zum Ausdruck gebracht wird – bei gleichzeitiger genereller Distanz zur Katholischen Kirche.

Inwieweit die Veränderung des Papstamtes den Medienumgang mit der Katholischen Kirche und dem Papst verändern wird, lässt sich kaum vorhersagen, nur vermuten. Der allgemeine Medienumgang mit der katholischen Kirche ist sowieso geprägt von einer kritischen Grundhaltung und der Papst wird ja bisher keinesfalls als unangreifbar behandelt oder medial mit Samthandschuhen angefasst. Diese Grundhaltung wird, so glaube ich, durch Benedikts Rücktritt weder verstärkt noch gemindert werden.

Allerdings – und das wird interessant zu beobachten sein – könnte sich der Umgang der kirchlichen und kirchennahen Medien mit dem Papst ändern. Wenn sich das Papstamt ändert, es sich als weniger mystisch und sakral begreift, wird die sachliche Auseinandersetzung mit den Aufgaben des Papstes hoffentlich leichter. Stark konservativ ausgerichtete kirchennahe Medien (gloria.tv oder kath.net) werden an ein solches Papstbild jedenfalls kaum Anschluss finden. Eine sachliche Berichterstattung und Kirchenkritik durch die kirchlichen Medien, ohne falschen Respekt vor der übermenschlichen Größe des Amtes, die an einer guten und gerechten Gestalt von Kirche interessiert ist – das würde ich mir von der christlichen Medienwelt weiterhin und verstärkt wünschen.

Dass der Papst ohne Weiteres zurücktreten kann, dies eine reale und ergreifbare Möglichkeit darstellt, wird von den Medien nicht vergessen und wird bei entsprechendem Anlass sicherlich hervorgeholt werden. Einen neuen und andersartigen Kampagnen-Journalismus gegen den Papst oder die Katholische Kirche wird der Rücktritt und die Veränderung des Papstamtes aber kaum befördern.

Quellen/Hinweise

Als Quelle habe ich vor allem das „Altpapier“ vom 13.2.2013 und vom 12.2.2013 benutzt. Der Text ist veranlasst worden durch eine Anfrage der Pressestelle der Universität Münster, die dafür auch einige Fragen formuliert hat, an denen ich mich orientiert habe. Die daraus entstandene Pressemeldung vom 12.3.2013 umfasst zwei Absätze. Hier in diesem Posting sind die dort aufgeführten Zitate in ihrem ursprünglichen Kontext nachzulesen.

Eine Bühne für den Attentäter? Die Rolle der Medien im Fall Breivik

Es ist wieder Zeit für die Medienethik: Schon vor Prozessauftakt erreichten mich Anfragen zur Rolle der Medien im Prozess um den Attentäter Anders Behring Breivik. Die Ungeheuerlichkeit der Tat und die Öffnung des Prozesses für die Öffentlichkeit einschließlich einer (regulierten) Möglichkeit von Foto- und Videoaufnahmen haben dazu geführt, dass sich Journalisten aus aller Welt in großer Zahl akkreditiert haben und den Prozess vor Ort begleiten. Breiviks Aussagen „Terror ist Theater“ (Quelle) und dass mit seiner Verhandlung die „Phase der Propaganda“ beginne (Quelle), führten unweigerlich zu der Frage, wie man die Berichterstattung angehen soll. Wie sollte man berichten, ohne dass man das Ziel Breiviks, eine Bühne für seine Ideologie zu bekommen, zu befördern? Ein echtes Dilemma.

Über die Frage, ob man möglichst wenig oder ohne Einschränkungen berichten soll, lässt sich daher trefflich streiten. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) mahnt in einer Presseerklärung eine vorsichtige Berichterstattung an:

DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken: „Journalisten dürfen sich nicht zu Breiviks unfreiwilligen Helfern machen lassen.“ Der Beschuldigte habe es darauf angelegt, den Strafprozess als Medienspektakel zu missbrauchen. Journalisten dürften ihm nicht auf den Leim gehen. (Quelle, via)

Dagegen meint Nils Minkma in der FAZ:

Auch in so einem Fall bleiben wir bei unseren Regeln und Gesetzen. Wäre ja noch schöner, wenn man Breivik zuliebe den Grundsatz der Öffentlichkeit von Strafverfahren hintergehen würde und ihm, in einer durch und durch abgebildeten Welt, den Sonderstatus eines Mannes ohne Gesicht zubilligte […]. Eine klare und schonungslose Berichterstattung in Wort und Bild, die Präzision darin, das ist die wirksamste Waffe der Medien, ihre vornehmste Aufgabe und im Übrigen auch ihr Job. (Quelle)

Wie wird berichtet? Vor allem der Boulevard zeigt zum Prozessauftakt, das war abzusehen, Breiviks Gesicht in Großaufnahme und/oder seinen offenbar rechtsradikalen Gruß. Der Gesichtsausdruck des Menschen, der beschrieben wird als smart, berechnend und eiskalt, steht für das Monströse der Tat. Einige Zeitungen arbeiten ohne Bild, oder gar ohne Bericht auf der Titelseite. Wie der andere versuchen, in der Bildauswahl den Prozess zu dokumentieren, ohne die Inszenierungsgesten von Breivik zu zeigen.

Die Tagesthemen am 16. April haben einen guten Bericht über die Berichterstattung (medienwissenschaftliche O-Töne von Norbert Bolz und Steffen Burkhard), informieren aber ansonsten ohne besondere Einschränkungen, zeigen also zum Beispiel den angesprochenen Gruß (bei 1 Minute 56), kommentieren dies aber entsprechend. Der nachgereichte Metabeitrag zum Mediengeschehen um den Prozessauftakt wirkt da seltsam. Sehr viel gelungener die gleich in der Anmoderation erfolgte Reflexion im Heute Journal (vom 16. April, via Matthias Rath) von Klaus Kleber und die begründete Entscheidung, warum die Inszenierungsgesten nicht gezeigt werden.

Kolleginnen und Kollegen aus der Medienethik haben sich zur Medienberichterstattung im Prozess um Breivik geäußert; bekannt ist mir beispielsweise das Interview von Christian Schicha. Ich durfte Gast im WDR5 Tagesgespräch am 18.04.2012 sein (hier zum Nachhören; ab 4:30 Minuten bin ich dann dran). Ausgangspunkt war ein dpa-Interview am Dienstag, 17.4.2012. Radio Vatikan (deutsches Programm) hat auch angerufen (Sendung Freitag, den 20.04. um 18 Uhr).

 

Communicatio Socialis

Eine der ersten Fachzeitschriften, die ich im Studium damals wahrgenommen hatte, war „Communicatio Socialis. Internationale Zeitschrift für Kommunikation in Religion, Kirche und Gesellschaft“. Die Schnittpunkte meiner Studienfächer Theologie und Kommunikationswissenschaften fanden sich in diesem Organ berücksichtigt.

Jetzt darf ich diese Zeitschrift mit herausgeben, zusammen mit Klaus-Dieter Altmeppen und Andreas Büsch (Gründungsmitherausgeber Michael Schmolke und Mitherausgeberin Ute Stenert werden mittelfristig ausscheiden). Es gibt vier Herausgebersitzungen im Jahr, meistens in München, zusammen mit der Redaktion der Zeitschrift (morgen ist es wieder so weit…).

Die Herausgeber haben sich zum Ziel gesetzt, die Zeitschrift in Richtung einer medienethischen Fachzeitschrift weiterzuentwickeln. Die Details sind noch in Arbeit und der Relaunch wird sicher nicht in diesem Jahr stattfinden. Über die Entwicklung werde ich hier ab und zu berichten. Wer unterdessen Manuskripte hat: Die Herausgeber und die Redaktion freuen sich!

Mehr Informationen unter www.communicatio-socialis.de.